Sprache entwickelt sich stetig weiter und an ihr können Tendenzen in einer Gesellschaft erkannt werden. So wird heute, im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten, besonders ein rhetorisches Stilmittel oftmals unbewusst verwendet: der Euphemismus. Dies ist im Wesentlichen eine Beschönigung von etwas [1]. Hier einige Beispiele von Begriffen, welche sich gewandelt haben:
Putzfrau → Reinigungsfachkraft
Kassierer → Einzelhandelskaufmann
Hausmeister → Facility Manager
Krüppel → Invalide → Behinderter → Mensch mit Behinderung
Flüchtling → Geflüchteter → Menschen mit Fluchterfahrung
Gerade im letzten Beispiel wird deutlich, dass eine Flucht nicht länger als etwas negatives angesehen wird, sondern als eine zusätzliche Erfahrung verstanden wird. Die Euphemismus-Tretmühle ist schon seit längerem in der Kritik und wurde von George Orwell schon 1933 erwähnt. Die Ausuferungen einer positivierten Sprache wurde von ihm in seinem Roman “1984” beschrieben und als “Neusprech” bezeichnet [2].
Heutzutage wird versucht, durch Veränderungen der Alltagssprache mittels Euphemismen Diskriminierung zu vermindern. So steht in der Sprache das generische Maskulinum in der Kritik, da Frauen nicht explizit erwähnt werden. Zudem spielen Herkunft, Religion und Sexualität in der heutigen sprachlichen Differenzierung zunehmend eine Rolle. Genau diese differenzierenden sprachlichen Konstruktionen fördern allerdings das Bewusstsein für eine Unterscheidung, anstatt die herrschenden Diskrepanzen zu beseitigen [3].
Aber nicht nur in der Sprache ist der ständige Ausbau einer positiven Sichtweise zu erkennen, denn auch in der Benotung von Leistungen gehen einige Lehrer dazu über, nicht mehr das vollständige Notenspektrum zu benutzen, um unter anderem Konflikte mit den Eltern zu vermeiden. Somit bekommen oftmals auch Schüler “gute Noten”, obwohl diese besonders schlechte oder unverhältnismäßige Leistungen erbringen [4].
Diese Noteninflation findet aktuell seinen Höhepunkt im Studium, wo immer mehr Dozenten nur noch das Notenspektrum von 1 bis 2 ausnutzen [5].
Aus all dem sollten sich die wirklich relevanten Fragen ableiten: Was bringt eine solche Sprache im Stil von George Orwells “Neusprech”? Was bringt die ständige gegenseitige Beweihräucherung statt einer angemessenen Leistungsbewertung? Wieso wird aktuell mehr Wert auf eine schmeichelnde Sprache gelegt als auf eine Gesetzesänderung zur Aufhebung von Diskriminierungen?